Seek Bromance: Review in der Missy

Im aktuellen Missy Magazine findet ihr meinen Kulturtext über den Film „Seek Bromance“ von Samira Elagoz.
Ursprünglich hatte ich mich sehr gefreut, aus trans männlicher Perspektive über einen Film, der zwei trans männliche Künstler*innen zeigt, schreiben zu dürfen. Der Film hat mich enttäuscht und da er derzeit nicht weitläufig in Kinos oder auf Streamingplattformen zu sehen ist, haben leider nur wenige Menschen die Möglichkeit, sich selbst ein Bild zu machen.
Ich möchte ein Statement von Kollaborationspartner*in Cade Moga abbilden, deren*dessen Perspektive auf den Schaffensprozess ich bedenkenswert finde. Auf Mogas Homepage steht folgendes über die Zusammenarbeit mit Elagoz: „During the 2020 pandemic Cade signed a contract with Finnish filmmaker Samira Elagoz, who collected footage of/with Cade for 3 months in a reality-TV approach. The actions performed on camera caused trauma to Cade who opted out of co-production. Samira Elagoz & Co went on to produce a 4-hour long docu-fiction described as a ‘real trans love story’ in press. […] Cade has been denied access to a copy of the work.“

Aus Platzgründen haben es folgende zwei Absätze nicht in meinen Artikel geschafft, die meine Gedanken über „Seek Bromance“ einbetten:

In der 2021 erschienenen Anthologie „Transgender Marxism“ schreibt Noah Zazanis über verschiedene Theorien, nach denen Gender gesellschaftlich und im einzelnen Subjekt reproduziert wird. Bekannt und verworfen ist die Theorie der Sozialisierung: Wir werden als Junge oder Mädchen sozialisiert, erhalten dadurch alle Informationen über unsere binäre, eindimensionale Rolle und können sie, egal wie sehr wir dagegen ankämpfen, kaum ablegen. Dieser Theorie mangelt es aber an Fundament, will mensch über das gegenderte Individuum hinausdenken. Ihr stellt Zazanis die sozialkognitive Theorie gegenüber, nach der wir den äußeren Einflüssen in drei Modi ausgesetzt sind. Wir sehen Vorbilder, machen handlungsmäßige Erfahrungen und erhalten direkte Unterweisung. Diese drei Modi formen die Geschlechter aller Menschen, wobei Zazanis herausarbeitet, inwiefern wir eine Agency in dieser Formung besitzen, beispielsweise, indem wir uns mit bestimmten Menschen umgeben. Nicht selten suchen Personen, lange vor dem Beginn einer wie auch immer gearteten Transition, bereits die Gesellschaft von trans oder queeren Personen, deren Medien und Räume. Die Theorie gilt übrigens für die Ausprägung von trans und cis Geschlechtern gleichermaßen.
Der Aufsatz von Zazanis ist, wie der gesamte Band, bedeutend, da er aufzeigt, wie wichtig Community und Präsenz im (semi-)öffentlichen Raum für die transgender soziale Reproduktion ist. Nur wenn es uns gibt, kann es auch mehr von uns geben. Nur wenn wir Räume unser eigen nennen, können andere diese Räume aufsuchen und ebenfalls trans sein. Nur wenn wir Vorbilder haben, wissen wir, dass es uns überhaupt geben kann. Der antisemitische Verschwörungsmythos der einer vermeintlichen ‚Transgender- Agenda‘, die junge Menschen unnatürlich queere, enthält also ein Körnchen Wahrheit, folgt mensch der sozalkognitiven Theorie: Es gibt mehr und mehr von uns, weil es mehr und mehr von uns gibt. Und ich danke allen Gött*innen, dass das so ist!
Antisemitisch ist dieser Mythos, wie jede Verschwörungserzählung, weil dahinter das Bild einer jüdischen Elite, die angeblich die weiße, heteronormative Welt kontrolliert, reproduziert wird.

Parallel zu Zazanis Erkenntnissen über die Reproduktion von transgender Menschen als gesellschaftlichem Phänomen arbeitet Jeannine Tang in „Trap Door“, einem Sammelband von 2016, die Historizitäten heraus, in die sich transgender Künstler*innen einfügen: „Tatsächlich ist die Prominenz von transgender Künstler*innen in jüngerer Zeit aus Jahrzehnten von transgender Community und infrastruktureller Unterstützung hervorgegangen, an der meist transgender Künstler*innen selbst beteiligt waren, deren Arbeit zutiefst persönlich, sozial, situiert und räumlichspatzial ist. Diese Unterstützung hat ein Gegengewicht geschaffen gegen die fortbestehende infrastrukturelle und institutionelle Regulierung von Gender, welche die Funktionen künstlerischer Identität reproduziert und dabei die soziale Beweglichkeit von Menschen, die nicht transgender oder gender nonconforming sind, bevorzugt.“

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